Wer durch die barocke Altstadt Dresdens schlendert, denkt zunächst an die großen Namen: Raffael in der Gemäldegalerie, Canaletto am Elbufer, Gerhard Richter im Albertinum. Doch abseits der prachtvollen Fassaden und weltberühmten Museen pulsiert eine stille, kreative Kraft: In versteckten Ateliers, Hinterhöfen und umgebauten Industriehallen arbeiten Dutzende Künstler:innen an neuen Ideen, fernab des Scheinwerferlichts und oft ganz nah an den Menschen.
Kreative Oasen in der Neustadt
Besonders im Szeneviertel Äußere Neustadt findet man eine ungewöhnlich hohe Dichte an Ateliers und Projekträumen. Hier verwandeln sich alte Bäckereien in Ausstellungsräume, Dachgeschosse in Lichtstudios und Garagen in Werkstätten. Wer Glück hat, darf einen Blick hinter die Kulissen werfen etwa im Rahmen des Offenen Ateliertags, den lokale Initiativen wie das Netzwerk „Dresden – Stadt der Kreativen“ regelmäßig organisieren.
Ein Besuch bei der Malerin Mira L., deren Atelier sich im dritten Stock eines unscheinbaren Altbaus in der Kamenzer Straße befindet, offenbart die ganze Kraft dieser Orte: Zwischen Farbtuben, Leinwänden und rohen Holzbalken erzählt sie von ihrer Suche nach visueller Sprache in einer fragmentierten Welt. „Für mich ist das Atelier kein Rückzugsort, sondern ein Resonanzraum“, sagt sie.
GEH8 – Kunst in der Industriehalle
Ein besonderes Beispiel für die Verbindung von Kunst und urbanem Wandel ist das Kunst- und Kulturzentrum GEH8 in Pieschen. In einer ehemaligen Güterhallenanlage entstand hier ein kreativer Mikrokosmos aus Ateliers, Werkstätten und Ausstellungsflächen. Bildhauer:innen, Architekt:innen, Fotograf:innen und Musiker:innen arbeiten Tür an Tür und das Publikum ist regelmäßig eingeladen, bei Ausstellungen oder Performances mit dabei zu sein.
Die GEH8 steht exemplarisch für eine Kunstszene, die nicht elfenbeinturmhaft agiert, sondern offen, kollaborativ und sozial engagiert. Viele Künstler:innen aus diesem Umfeld initiieren Workshops, Nachbarschaftsprojekte oder temporäre Installationen im öffentlichen Raum.
Zwischen Friedrichstadt und Hechtviertel: Die leisen Räume der Kunst
In der Friedrichstadt, einem ehemals industriell geprägten Viertel westlich der Altstadt, entdeckt man zunehmend kleine Ateliers in ehemaligen Lagern und Remisen. Hier arbeitet zum Beispiel der Keramiker Jan K., dessen minimalistische Gefäße mittlerweile bis nach Japan verkauft werden aber stets in seiner kleinen Werkstatt in der Schweriner Straße entstehen. Besucher sind willkommen, wenn das Schild „Atelier offen“ draußen hängt.
Auch das Hechtviertel, lange als Geheimtipp gehandelt, entwickelt sich zu einem kreativen Hotspot. Zwischen Second-Hand-Läden und Indie-Cafés haben sich junge Künstlerkollektive niedergelassen, die in leerstehenden Wohnungen temporäre Galerien einrichten oder offene Zeichenabende veranstalten. Kunst wird hier nicht nur produziert, sondern gelebt als Teil des Alltags.
Dresden jenseits der Postkarte
Der Blick in die versteckten Ateliers Dresdens eröffnet eine andere, oft überraschende Seite der Stadt: Hier geht es nicht um perfekte Barockfassaden oder Hochglanzkataloge, sondern um Prozess, Experiment und Begegnung. Viele Künstler:innen laden bewusst dazu ein, Teil dieser Prozesse zu werden durch Workshops, offene Tage oder Kooperationsprojekte mit Schulen, Seniorenzentren oder Umweltinitiativen.
Diese Orte sind nicht leicht zu finden und das ist vielleicht ihr größter Reiz. Sie fordern Neugier, Achtsamkeit und Gesprächsbereitschaft. Wer sie betritt, erlebt Dresden neu: als vibrierende Kunststadt, die aus dem Verborgenen heraus lebt.
Tipp:
Wer auf eigene Faust Dresdens Ateliers erkunden möchte, sollte sich an lokale Initiativen wie „Dresden – Stadt der Kreativen“ wenden oder an Veranstaltungen wie dem „Offene Ateliers Dresden“ teilnehmen. Hier öffnen Dutzende Künstler:innen ihre Räume für Besucher ohne Schwellenangst, aber mit viel Tiefe.